Elitekindergarten – Muss das sein?

Städtische Kinderkrippe oder Elitekita? Der enorme Konkurrenzdruck, der sich heute in der Arbeitswelt breit gemacht hat, spiegelt sich selbstverständlich auch in der Erziehung wider. Viele Eltern denken, sie müssen ihre Kinder früh darauf vorbereiten, um ihnen in der harten Welt der Erwachsenen einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Da liegt es dann Nahe, eine bilinguale Privatkrippe/Kindergarten zu suchen. Hiervon zeugt auch die angebotene Vielzahl zusätzlicher Fördermaßnahmen in den Einrichtungen: von der Babyzeichensprache für Babys ab 6 Jahren über musikalische Früherziehung, Sportkurse, Fremdsprachenunterricht bis hin zum Sachunterricht wird hier alles geboten. Teilweise wird hier explizit mit einem versprochenen Vorsprung für die spätere schulische Laufbahn geworben. Schon früh sollen Begabungen erkannt und gefördert werden. 

Natürlich bedeutet dies auch einen enormen zeitlichen Mehraufwand für die Eltern, oft bedingt durch längere Anfahrtswege, die scheinbar gerne in Kauf genommen werden. In der Regel sind solche privaten Angebote natürlich fast immer sehr viel teurer als  herkömmliche städtische oder kirchliche Betreuungseinrichtungen. Bei der Kinderkrippe Little Giants in Frankfurt kostet ein Vollzeitbetreuungsplatz derzeit (Stand November 2015) laut Webseite zum Beispiel 1250 Euro im Monat. Schnell wird so die Wahl der Kinderkrippe/Kindergarten zum Statussymbol. Wer weiß, vielleicht mag es ja zukünftig bei Bewerbungen erforderlich sein, neben Schulzeugnissen auch die Dokumentation über den vor-schulischen Werdegang (Kindergarten-Portfolio) mitzuschicken. 


Eltern, die bereits Mühe haben, ein herkömmliches Betreuungsprogramm zu finanzieren, können da leicht Schuldgefühle eingeredet werden. Reicht es vielleicht doch nur gerade so für eine „normale“ Kinderkrippe/Kindergarten? Man mag sich Gedanken machen, weil man seinem Kind eine „optimale“ Frühförderung verwehrt. Ich denke, derartige Sorgen sind unbegründet. Staatliche Kitas leisten hervorragende Arbeit und sind ganz sicher keine bloßen Kinderaufbewahrungsanstalten und es gibt auch einigermaßen günstige private/krichliche Alternativen. Erzieherinnen sind dort ebenso gut ausgebildet. Zugegeben, hinsichtlich Betreuungsschlüssel und Bezahlung gibt es vielerorts noch Luft nach oben (siehe Kita-Streik 2015). Hier ließe sich aber leicht nachbessern. 

Der Blick zu den Nachbarn nach Österreich

Das es auch anders geht, können wir aus eigener Erfahrung berichten. Bevor wir letztes Jahr nach Deutschland zogen, besuchte unser Sohn eine Wiener Kinderkrippe. In der Regel waren täglich 10 Kinder (geplant 15) anwesend, denen 3-4 BetreuerInnen (3 mit Qualifikation, 1 in Ausbildung) gegenüberstanden. In unserer späteren konfessionell geführten Krippe in Deutschland – mit der wir wohlgemerkt auch sehr zufrieden waren gab es hingegen 2-3 Betreuerinnen (2 mit Qualifikation, 1 FSJlerin). Auch was die Ausstattung der Krippe angeht, war der Unterschied doch sehr deutlich: in der österreichischen Krippe gab es eine Vielzahl an Büchern, Spielen und Kindermöbeln, dass meiste davon äußerst hochwertig und aus Holz mit einem riesigen Gartengelände voller Obstbäume. Als wir zum ersten Mal mit unserem Sohn die deutsche Krippe betraten, kam uns der Raum im Vergleich dazu leer vor. Das Außengelände, dass den Namen kaum verdiente, war hingegen nur wenige Quadratmeter (Beton und etwas Rasen, noch dazu mit starken Schrägen) groß. Das wir uns dennoch dafür entschieden lag aber an dem überaus sympathischen Team und der umzugsbedingt fehlenden Wahlmöglichkeit. Wir haben diese „Wahl“ aber letztlich nicht bereut. Preislich gab es da allerdings schon einen Unterschied. Die Kindergrippe in Wien war gratis (!), wohingegen wir je nach Nutzungsdauer in Deutschland zwischen 250 und 360 Euro zahlen mussten.

In Welchem Elitekindergarten wart Ihr?

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Aber zurück zum Thema. Mal Hand aufs Herz – wer von uns war den selbst in einer bilingualen Kita oder einem Elitekindergarten? So etwas gab es zu meiner Zeit entweder noch nicht oder war zumindest primär Kindern von Diplomaten vorbestimmt. Ich selbst war tatsächlich nie in einer Krippe, sondern kam erst mit dreieinhalb in einen kirchlichen Kindergarten. Meinem Sozialverhalten – wobei ich mich hier auf die subjektive Meinung Dritter stützen muss – hat es allem Anschein nach aber nicht geschadet. Nach modernen Vorstellungen lief in meinem Kindergarten auch recht wenig. Die Kindergärtnerinnen ließen uns einfach spielen und passten auf, dass dabei nicht allzu viel passiert. Es mag natürlich sein, dass dahinter bereits ein ausgefeiltes pädagogisches Konzept stand, doch war mir dieses damals nicht bekannt.

Spielerisch Lernen – Lernen durch Spielen? 

Auch heute noch spiele ich für mein Leben gerne, allerdings auf andere Weise, nämlich bei der Arbeit. Überall wo Kreativität gefragt ist, nützt mir mein ausgeprägter Spieltrieb, und zwar mehr als jede Fremdsprache oder Fachwissen, das ich während meiner Schullaufbahn gelernt habe. Nicht das alles davon Unnütz gewesen wäre, aber um ehrlich zu sein: das meiste davon habe ich tatsächlich vergessen. Beim gemeinsamen Spielen haben sich auch ganz natürlich meine sozialen Kompetenzen entwickelt und es gab mir auch die Möglichkeit, meine Erlebnisse und Gefühle zu verarbeiten. Anstatt Kinder schon von klein auf in enge Strukturen einzubinden, müssen wir ihnen den Freiraum lassen, den sie brauchen, um sich zu entfalten. Anstatt Kinder Institutionen anzuvertrauen, die versprechen, das maximale aus ihnen herauszuholen, ist es für mich viel wichtiger, das es genug Möglichkeiten zum Spielen gibt. Hierzu passt vielleicht auch der folgende Erfahrungsbericht:

Verkehrte Welt

Kürzlich erzählte mir ein Bekannter betroffen von einer Unterhaltung mit seiner Tochter, die noch in die Grundschule geht. Sinngemäß wiedergegeben verlief das Gespräch so:

Vater: Wollen wir am Wochenende mal etwas unternehmen? Wir könnten zusammen Fahrradfahren und ein Picknick machen? Wir könnten auch etwas spielen?


Tochter: Papa, Du magst vielleicht Zeit für so was haben, da Du am Wochenende frei hast. Ich gehe aber in die Schule. Ich muss am Wochenende Hausaufgaben machen und lernen. Ich kann es mir einfach nicht erlauben, nichts zu tun. Vielleicht hat Mama ja Zeit und Lust etwas mit Dir zu unternehmen…
Der Bekannte war natürlich schockiert. Da muss man auch nichts hinzufügen. Wenn es so um unsere Kleinkinder/Schulkinder bestellt ist, dann sollten wir uns tatsächlich Sorgen machen. Kinder müssen die Möglichkeit bekommen, glücklich und ausgelassen zu sein. Wir dürfen Ihnen nicht schon im Kleinkindalter das Gefühl vermitteln, Leistung bringen zu müssen. Schlimm genug, wenn man man das Erwachsenen antut. Auch hier gehört das sicher nicht zu einer „artgerechten“ Haltung des Homo Sapiens. Eltern sollten sich daher die mögliche Krippe, den Kindergarten oder die Grundschule genau ansehen. 

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Autor: RS

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