Familienbereich im ICE der Deutschen Bahn – Nie wieder!

Familienbereich im ICE – die Bahn jetzt familienfreundlicher?

Mal wieder etwas Neues bei der Deutschen Bahn. Nachdem wir nun zum ersten Mal den neuen Familienbereich im ICE der Deutschen Bahn getestet haben, ist das Fazit leider ernüchternd. Hier wird man uns so schnell nicht wieder finden.
 
Ganz von Anfang: Nachdem die Kleinkindabteile im ICE ja ein voller Erfolg waren, entschied man sich dazu, so die Darlegung der Deutschen Bahn, eigene Bereiche für Familien mit größeren Kindern anzubieten, die nun „ihren eigenen Lieblingsplatz an Bord bekommen.“ Das liest sich soweit sehr gut. Die Bahn hat sich allem Anschein nach dazu entschieden, familienfreundlicher zu werden. Ein Schelm, wer dabei denkt, es könnte hier in erster Linie darum gehen, andere Reisende vom  störenden Lärm lauter Familien abzuschirmen. Die Bahn weist diese Vermutung in Ihrer Präsentation vorsorglich zurück:

„Selbstverständlich geht es bei der Einführung des neuen Familienbereichs im ICE nicht darum, Familien von anderen, kinderlosen Bahnreisenden zu trennen und sie geschlossen in einem eigenen Bereich unterzubringen.“ (Quelle: inside.bahn.de)

Der bisher einzige Kommentar dazu auf der Webseite lässt vermuten, dass dies durchaus dem Wunsch einiger anderer Reisender entsprechen würde. Ein User merkt hierzu an, dass eine derartige Trennung doch wohl „das einzig Sinnvolle an dieser Idee gewesen“ wäre.

Unsere eigenen Erfahrungen

Der Familienbereich im ICE der Deutschen Bahn unterscheidet sich nicht von anderen Abteilen
Familienbereich – ein ganz gewöhnliches Abteil
Und tatsächlich drängt sich bei mir der Verdacht auf, dass es bei diesem neuen Angebot genau darum gehen könnte. Hier zunächst einmal unsere eigenen Erfahrungen an einem Sonntag auf der Fahrt von Mannheim nach Bayern. Auf unserem ersten kurzen Teilstück saßen wir in dem für uns gewohnten Kleinkindabteil. Das war nichts besonderes, aber wie immer sehr angenehm. Ab Frankfurt wartete dann der neue Familienbereich darauf, von uns entdeckt zu werden. Wir waren gespannt, wie er wohl aussehen mag. Um es kurz zu fassen, das neue Abteil benötigt keine große Eingewöhnungszeit (Ironie off). Es handelt sich einfach um ein ganz gewöhnliches Großraumabteil. Bei der Bahn heißt es daher auch:

„Der Sitzbereich für Familien unterscheidet sich nicht von einem regulären Großraumwagen oder 6er-Abteil. Es handelt sich lediglich um gekennzeichnete Teilbereiche, in denen Reisende mit Kindern bevorzugt sitzen dürfen und ganz entspannt in Gesellschaft anderer Familien reisen können.“

Abbildung einer Gepäckablage im Familienbereich des ICE, Deutsche Bahn
Die gewöhnlicher Gepäckablage 

Na ja, entspannt sieht anders aus. Tatsächlich war man hier durchaus unter sich. Hinter uns ein schreiendes Baby, vor uns ein schreiendes Baby und jede Menge andere Familien mit Kindern. Der Geräuschpegel war wirklich enorm. Zusätzlichen Stauraum für Kinderwagen etc. gab es auch nicht, und so war das Abteil wirklich randvoll. Wir kamen uns in der Tat so vor, als seien wir in einem getrennten Bereich gelandet, in dem man Familien separat von den restlichen Reisenden unterbringen wollte. Selbst unserem dreijährigen Sohn war es zu laut und er versuchte den Babys zu erklären, dass sie nicht so laut schreien sollten. Es half, wen wundert’s, natürlich nichts. Wir hatten zum Glück wie immer vorgesorgt und verbrachten die Zeit mit Vorlesen und anderen Beschäftigungen.
 

Gelungene Planung?

Zahlreiche Wünsche von Familien“, so die Bahn, wurden „bei der Planung umgesetzt“, doch es sieht so aus, als habe man bei den neuen Familienbereichen einfach Testbahnfahrten durchgeführt und anschließend Umfragen bei den Reisenden vorgenommen. Von einer Planung bei der Gestaltung der Bereiche im Vorfeld ist hier nicht die Rede. Bei den Befragungen ging es daher wohl in erster Linie darum zu ermitteln, was sich die Reisenden von den Familienbereichen erwarteten. Folgende Punkte hätten sich laut DB dabei ergeben:
  • die Sitzbereiche sollten in der Nähe eines Ein- und Ausstieges liegen und über eine Gepäckstellfläche verfügen
  • die nächste Toilette sollte in der Nähe sein
  • der Bereich sollte durch ein Symbol gekennzeichnet sein (Quelle: inside.bahn.de)
Das nenne ich mal eine gelungene Umfrage. Da alle Großraumabteile ohnehin über einen Ein- und Ausstieg, standardmäßige Gepäckablagen und eine Toilette verfügen, reicht es also, in einem ganz normalen Abteil ein entsprechendes Symbol anzubringen und schon ist es ein Famlienbereich. Bravo! Das nenne ich innovativ. Dem verantwortlichen Mitarbeiter sollte man eine Auszeichnung für Kreativität verleihen. Ich kann mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, dass keine der befragten Eltern, nicht den Wunsch nach Spielmöglichkeiten, bequemen Familiensitzen, einem Kinderkino oder ähnlichem geäußert haben sollten. Äußerst merkwürdig.
 

Der Blick ins deutschsprachige Ausland

Andere Bahnen sind da doch wesentlich weiter. In beinahe jedem Railjet-Großraumwagen der Österreichischen ÖBB gibt es immerhin ein Kinderkino. Diese sind zwar auch nicht wirklich spannend, aber immerhin. Die Schweizer SBB hat hingegen eigene aufwendig gestaltete Familienwägen, die wie Spielplätze gestaltet sind (inkl. Rutschbahn und anderem Spielgerät) sowie Familienzonen mit speziell dafür vorgesehenen Spieltischen.
 
Es mutet also etwas seltsam an, dass die Deutsche Bahn bei der Planung der neuen Familienbereiche nicht nach rechts oder links zur deutschsprachigen Konkurrenz gesehen hat. Hätte man sich wirklich mit dieser Maßnahme als familienfreundliches Unternehmen platzieren wollen, so wäre es naheliegend gewesen, etwas annähernd Vergleichbares zu schaffen. Der Schweizer Bahn ist das hervorragend gelungen. 
 
Da drängt sich doch ein wenig der Verdacht auf, dass es der DB mit der Einführung der neuen Familienbereiche vielleicht nie wirklich darum ging, auf die Bedürfnisse von Familien einzugehen. Familien geballt in einem ganz gewöhnlichen Abteil unterzubringen, macht in jedem Fall wenig Sinn, zumindest für die Familien. Es gibt für Kinder nichts zu entdecken und auch sonst keine Ablenkung. Als langjähriger Kunde der DB hat man ohnehin sehr geringe Erwartungen, aber das ist doch wirklich selbst bei diesen Maßstäben äußerst dürftig.
 
Die Bahn schreibt zwar, dass Familien selbstverständlich „auch weiterhin in regulären Großraumwagen oder Abteilen erwünscht“ sind, doch alles andere wäre wohl ohnehin kaum vorstellbar. Gewiss werden sich Familien von nun an verstärkt der Kritik anderer Reisende ausgesetzt sehen, wenn sie außerhalb eines Familienbereiches angetroffen werden. Ist der Nachwuchs ausnahmsweise mal wieder etwas lauter, wird man da sehr bald die Frage zu hören bekommen, warum man denn nicht in dem extra dafür vorgesehen Familienbereich sitzt. 
 
Sollte es der DB jedoch tatsächlich darum gehen,  Bahnreisen für Familien angenehmer zu gestalten, sollte man rasch nachbessern. Wie gesagt, anderen Verkehrsunternehmen ist das auch gelungen und es scheint daher möglich zu sein. Das geht auch mit wenig Aufwand. Bevor sich hier etwas maßgeblich geändert hat, werde ich den Familienbereich von nun an in jedem Fall meiden.
 
Autor: RS
 

7 Kommentare on “Familienbereich im ICE der Deutschen Bahn – Nie wieder!

  1. Hallo,
    Den Ausführungen kann ich mich nur anschliessen. Wir sind diese Woche von Frankfurt nach Hamburg gefahren. Der ICE war gut besucht. Das war unter anderem ei Grund warum ich in der Ferienzeit den Familienbereich gewählt habe. Neben der Tatsache, dass dieser Bereich sich durch nichts von den anderen Bereichen unterschieden hat war ich besonders enttäuscht das nur der halbe Wagon dafür vorgesehen war. Dann hatte ein Vater das tolle Erlebnis, dass sich ein älterer Herr an der Musik von einem Spiel gestört hat. Soviel zu dem Thema und Werbung der Bahn „besonders für Kinder im Kindergarten und Grundschulalter geeignet“. Aus diesem und der eineinhalbstündigen Verspätung des ICEs treten wir unsere Heimreise mit meinem Mann gemeinsam mit dem Auto an. Viel anstrengender kann es nicht werden!

    1. Vielen Dank für den Erfahrungsbericht. Der Artikel ist ja schon ein paar Tage alt, aber umso schlimmer, dass sich da immer noch nichts geändert hat. Ich hatte ja ursprünglich gehofft, dass es nur ein Anfangsproblem wäre und die Bahn den Familienbereich allmählich ausbaut und besser gestaltet, aber leider ist es wohl einfach bei der simplen Umetikettierung von Abteilen geblieben. Sehr schade. Bahnfahren mit Kind könnte ja eigentlich so schön und entspannt sein.

  2. Der Beitrag zeigt eindrucksvoll die überzogene Erwartungshaltung einiger Eltern und deren Inkompetenz die eigenen Gören zu erziehen und zu unterhalte.
    Da wird von der Bahn sogar ein Kinderkino gewünscht… und sich über den Lärm der anderen Kinder aufgeregt.
    Mal dran gedacht, was e so ne nervende Familie mit ihren Rotzgören auf andere Fahrgäste wirkt?
    Einfach mal n Auto kaufen, Tabletts rein und schon hat man Kinderkino, ‚Ruhe‘ und nervt zudem seine Mitmenschen nicht!

    1. Mir scheint, Sie haben den Beitrag gar nicht gelesen. Wir haben uns gar kein Kinderkino gewünscht und sind auch keine Fans davon. Bei uns wurde vorgelesen und der Sohn liest nun auch selbst begeistert. Ebenso stehen Gesellschaftsspiele aller Art hoch im Kurs.

      Uns stört auch nicht prinzipiell, dass dort andere Kinder waren. Wir hätten uns einfach gefreut, wenn das als Kinderabteil angepriesene Abteil der Bahn in irgendeiner Weise tatsächlich kinderfreundlich gestaltet worden wäre, was aber für unser Empfinden nicht der Fall war.

      Den Ausdruck „nervende Familie mit ihren Rotzgören“ spricht für mich hingegen Bände. Für jemanden, der die pädagogischen Fähigkeiten anderer ohne Kenntnisse der Personen pauschal kritisiert, erstaunt mich darüber hinaus ihr Vorschlag, Kinder vor dem Tablett zu parken, damit sie Ruhe geben. Pädagogisch scheint mir das nicht gerade der große Wurf zu sein.

      In jedem Fall frage ich mich gerade, ob Sie nicht die Zielgruppe sind, zu deren Zweck solche Abteile eingerichtet wurden. Eine Gesellschaft, die Kinder prinzipiell als Belästigung betrachtet und sich wünscht, dass sie in der Öffentlichkeit ruhig gestellt werden sollten, ist wohl eher das, was mir eigentlich Sorgen macht.

    2. Wegen Leuten wie Ihnen fühlen wir Eltern uns ständig schlecht und schuldig. Dabei haben Sie doch ein Problem: Sie können doch nicht erwarten, dass sich das Universum um Sie herumdreht. Wenn es Ihnen nicht passt: Zuhause bleiben oder selbst ein Auto kaufen!! Als Gesellschaft sollten wir zusammenhalten und uns gegenseitig helfen.
      In dem Beitrag wird zurecht moniert, dass die ach so „familienfreundliche“ Bahn, einfach nur Schilder aufgehängt hat. Da fühlt man sich als Familie einfach nur veräppelt.
      Eine respektvolle Sprache wäre auch übrigens das mindeste, was man im gegenseitigen Umgang erwarten kann, schließlich wollen Sie bestimmt auch nicht als alter, verbitterter S*** bezeichnet werden 😉 Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Leben

  3. Wir sind mittlerweile im Jahr 2021 angekommen und es wird noch besser. In den neuesten ICEs gibt es bis auf *ein* Kleinkindabteil mit 5 Plätzen nur noch Großraum, also auch gar keine normalen Abteile mehr, auf die man sonst mit rumrennenden Kleinkindern noch ausweichen konnte. Das Kleinkindabteil ist meist auf Wochen hin schon ausgebucht, zumindest auf manchen Strecken, und das schon während noch Corona wütet und die Züge eigtl leerer sind… Fahren mit Kleinkind wird bei der DB immer mehr zur Qual….

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